Interview mit Dr. Stefan Müller / Chief Technology Officer (CTO) der maxon Gruppe
About:
Die maxon Gruppe ist der führende Anbieter von hochpräzisen Antriebssystemen. Die Antriebssysteme gehören zu den Besten weltweit und werden überall dort eingesetzt, wo die Anforderungen hoch sind. maxon Motoren treiben so zum Beispiel die Nasa-Rover auf dem Mars an, sie sind in Insulinpumpen und in chirurgischen Handgeräten eingebaut. Man findet sie in humanoiden Robotern oder in hochpräzisen Industrieanlagen, in Tattoomaschinen, Passagierflugzeugen, Kameraobjektiven, Rennautos, Herzpumpen und vielem mehr. Seit nun über 60 Jahren dreht sich bei maxon alles um kundenspezifische Lösungen, Qualität und Innovation.
Zum Start: Welche KI-Tools nutzt du persönlich in deiner täglichen Arbeit?
Ich setze bei meiner täglichen Arbeit den Microsoft Copilot ein. maxon hat diesen ins IT-System integriert, so steht eine Lösung zur Verfügung, die einfach zu bedienen ist und unsere Anforderungen an den Datenschutz erfüllt.
Sprechen wir über maxon und deine Rolle als Chief Technology Officer.
Maxon investiert jedes Jahr rund 8% des Umsatzes in R&D. Welche Rolle spielt dabei KI?
KI ist ein wichtiger Bestandteil der Digitalstrategie von maxon, ist aber momentan nur eines von vielen wichtigen Themen, an denen in der R&D von maxon gearbeitet wird. Ob mit oder ohne KI – wir müssen weiterhin Antriebssysteme entwickeln, die höchste Anforderungen an Leistungsdichte, Funktionalität und Qualität sowie Energieeffizienz und Nachhaltigkeit erfüllen. Gleichzeitig wächst die Bedeutung von Elektronik und Software stetig. KI ist ein wertvolles Hilfsmittel um schnell und effizient zu Lösungen zu kommen.
Kannst du uns konkrete Beispiele nennen, wo du das grösste Potenzial von KI bei maxon siehst – zum einen in euren Produkten, zum anderen in euren Prozessen?
In der Entwicklung von komplexen Systemen wird heute bereits intensiv mit Simulation und numerischer Optimierung gearbeitet. Tätigkeiten, die früher eher auf Erfahrungswerten und iterativen Designschleifen basierten. Die Nutzung von KI bei Design und Optimierung ist der nächste logische Schritt. Dadurch wird der «Werkzeugkasten» der Ingenieure mit neuen leistungsfähigen Werkzeugen gefüllt. Nicht minder wichtig ist der Einsatz von KI-basierten Tools in der Produktion und Qualitätssicherung, etwa durch Anomalie-Detektion, sowie in der Optimierung von Prozessen – vom Verkauf bis zur Produktionsplanung. Zudem entwickeln wir KI-basierte Systeme, die unsere Kunden bei der Überwachung und optimalen Nutzung unserer Antriebe in ihren Applikationen unterstützen sollen. In diesem Bereich tut sich momentan Einiges.
Und wo siehst du aktuell die grössten Herausforderungen für den Einsatz von KI in der Antriebstechnik?
Elektrische Antriebe werden sehr oft in Bereichen eingesetzt, in dem Sicherheit für die Menschen in der Umgebung der Maschine essenziell ist. So zum Beispiel bei Operationsrobotern, Cobots, und mobilen Robotern. Die heutigen Sicherheitskonzepte für funktionale Sicherheit sind noch nicht auf die neuen Herausforderungen durch den Einsatz von KI bei der Steuerung solcher Systeme vorbereitet. Hier ist die Industrie gefragt, effiziente und bezahlbare Lösungen zu erarbeiten.
Ihr seid weltweit tätig und organisiert euch in globalen R&D Netzwerken. Gibt es für dich hot spots, die betreffend KI die Nase vorn haben? Und wie siehst du die Rolle der Schweiz, können wir mithalten?
Ich komme gerade von einer Reise zu unserem Standort in Südkorea zurück und konnte insbesondere die Fortschritte im Einsatz von KI in der Robotik deutlich sehen. Momentan erleben wir ein regelrechtes Rennen zwischen USA, Asien und Europa. Die Schweiz spielt hier eine wichtige Rolle, etwa mit den Aktivitäten in und um die ETH– wir müssen uns aber ranhalten, um nicht abgehängt zu werden.
Ihr arbeitet erfolgreich mit jungen Unternehmen wie der Anybotics AG zusammen. Anybotics entwickelt den autonomen Inspektionsroboter Anymal mit dem Einsatz von KI. Welche Rolle spielen maxon-Antriebe dabei?
Bevor wir auf die maxon-Antriebe zu sprechen kommen: moderne mobile Roboter in unstruktierten Umgebungen nutzen massiv Regelsysteme die auf «Reinforced Learning» basieren. Diese komplexen Systeme können nur durch den Einsatz von KI realisiert und beherrscht werden. Hier wurden in den vergangenen Jahren massive Fortschritte erzielt. In enger Zusammenarbeit zwischen Anybotics und maxon entsteht ein neues Antriebssystem, das dem Roboter mehr Dynamik und Reichweite ermöglicht – und das bei reduzierten Kosten.
Bist du manchmal auch etwas neidisch auf die kleinen, agilen Startups, die mit grossen Plänen die Welt verändern möchten?
«Neidisch» ist hier vermutlich der falsche Begriff. Für mich ist es vielmehr bereichernd, mit solchen Firmen zusammenzuarbeiten. Wir sind gefordert, mit der Geschwindigkeit mitzuhalten, und wir sind natürlich besonders stolz, wenn diese Startups auf maxon-Antriebe setzen und damit am Markt Erfolg haben.
Wie stellt maxon sicher, dass die Mitarbeiter die nötigen Kompetenzen im Bereich KI entwickeln?
Wir haben im ersten Schritt, die Rahmenbedingungen geschaffen, damit unsere Mitarbeitenden eine sichere Umgebung für die Nutzung von KI im Arbeitsalltag haben. Ferner stellen wir Guidelines und Hilfsmittel zur Verfügung. In einigen wenigen Teams nutzen wir bereits verschieden Formen von KI, um uns dort gezielt Know-How zu erarbeiten. Dieses Wissen können wir dann über diese Abteilungen hinweg breiter im Unternehmen streuen und uns so global weiterentwickeln. An vielen Stellen bleibt aber die Kreativität unserer Mitarbeitenden zentral, um KI effizient einzusetzen. Hier gibt es noch viel zu tun.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Gehörst du zu den KI-Optimisten oder den KI-Pessimisten, wenn es um die Zukunft unserer Gesellschaft geht?
Ich bin der Meinung, dass dieses Thema momentan etwas überbewertet wird. Denoch ist KI gekommen, um zu bleiben. Zum einen wird es für uns normal werden, dass uns KI im Alltag unterstützt – sei es bei Übersetzungen, beim Recherchieren oder Formulieren. Zum anderen werden wir insbesondere in der Robotik grosse Fortschritte erleben, die ohne maschinelles Lernen oder KI nicht denkbar wären.